Der Peter und sein Sperrdifferential

Gepostet am 22. Apr. 2014 in Automobile | Keine Kommentare

Der Peter und sein Sperrdifferential

Die Hauptfigur dieser ausschließlich auf Tatsachen beruhenden Geschichte ist ein ganz normaler Mann wie Du und ich. Er hat allerdings eine sehr ausgeprägte Schrulle: Er liebt die Heckmotor-Coupés eines schwäbischen Sportwagenherstellers. Selbst Freunde, die seit vielen Jahren Kontakt zu ihm haben, wissen bis heute nicht wirklich, ob er seine Frau und seine Tochter mehr liebt – oder aber doch diese speziellen Autos, vor allen die etwas älteren, die luftgekühlten. Man kann unsere Hauptfigur, nennen wir sie Peter, mitten in der Nacht wecken und er wird ungefragt detailliert erklären, dass gewisse Bauteile der F-Serie problemlos auch in die G-Serie passen oder dass die spiegeleiförmigen Scheinwerfer der 996-Modelle eine stilistische Lachnummer waren. Kurz: Peter kennt die nun schon fast 50 Jahre währende Geschichte dieses Modells in- und auswendig.

Peter lebt in soliden finanziellen Verhältnissen – also weit unterhalb der Möglichkeit, sich einen fabrikfrischen Neuwagen des schwäbischen Flitzers leisten zu können. Doch da das Modell ja schon lange auf dem Markt ist, gibt es logischerweise einen gut bestückten und florierenden Gebrauchtwagenmarkt. Und Peter als ausgewiesener Experte weiß natürlich genau, welche Varianten technisch problemlos und bezahlbar sind und dennoch ein Höchstmaß an Spaß bieten.

Nach eisernem Sparen und intensiver Suche hat er sich kürzlich eine neue gebrauchte Sportwagen-Ikone leisten können – vor allem auch deshalb, weil der Vorgänger nach mehrjährigem Einsatz verlustfrei an den nächsten Fan (kommt das von Fanatiker?) verkauft werden konnte.

Der neue gebrauchte Bolide ist gerade mal 17 Jahre alt und präsentiert sich optisch in makelloser Form. Auch die Technik, so meint Peter, ist zum Verlieben – zumal eine Erhöhung des Hubraums um 200 ccm die Motorleistung von 272 auf 310 PS gesteigert hat. Das gute Stück hat nur ein Problem: Es verfügt über ein Automatikgetriebe, Tiptronic genannt. Im Prinzip ist das nicht schlecht, im Gegenteil: Da Peter ja schon zur Ü60-Generation gehört und seine Frau schnelles Autofahren sowieso hasst, bevorzugt er zumeist die gemütliche Gangart, neudeutsch: das Cruisen.

Doch ganz gelegentlich packt ihn das Temperament. Dann fährt er mit seinem Youngtimer zum Clubsport-Event, lässt in Gesellschaft Gleichgesinnter die Sau raus, prügelt den Oldie um Tore und Pylone und freut sich am Ende des Tages wie ein kleines Kind, wenn er für besonders schnelle Parcours-Zeiten ein Pokälchen überreicht bekommt.

Für diese Einsätze“, so Peter, „ist die Tiptronic-Version, serienmäßig ohne Sperre, nicht wirklich geeignet. Sie erzeugt zu wenig Traktion. Beim Beschleunigen aus den Ecken dreht das kurveninnere Hinterrad durch, es geht nicht optimal voran!“

Peter wäre nicht (der technikbegeisterte) Peter, wenn ihm nicht auch für dieses Problem eine Lösung einfallen würde: „Ein Sperrdifferential muss her!“ Nun wird vermutlich jeder, der sich mit Antriebstechnik auskennt, verwundert den Kopf schütteln und sich denken, dass ein Heckmotor-Auto mit einem Heckantrieb nun wirklich keinen Traktionsverbesserer braucht – ist ihm doch der optimale Vorwärtsdrang konstruktiv geradezu in die Wiege gelegt.

Doch Peter ist von seiner Idee überzeugt und begibt sich auf die Suche nach einer Differentialsperre für sein Gefährt. Der Hersteller selbst bietet keine an und auch die in Deutschland für diese Zwecke bekannten Spezialisten zucken mit den Schultern. Fündig wird Peter per Internet im Mutterland des Motorsports, in England. Dort hat ein Herr Quaife schon Anfang der 1980er Jahre ein Torsen-Sperrdifferenzial entwickelt, das zunächst im US-amerikanischen Lincoln, später dann in verschiedenen bayrischen, französischen und britischen Fahrzeugen (mit konventionellen oder Frontantrieb) zum Einsatz kam. Und das laut Herrn Quaife auch in den Heckantrieb von Peters Flitzer passt, weil dieser die gleiche ZF-Automatik verwendet wie die genannten Fahrzeuge.

Erstaunlicherweise hatte Herr Quaife noch eine einzelne Sperre im Regal und dieses exotische Bauteil gab es auch noch für einen halbwegs erträglichen Preis, für etwa 1200 Euro. Doch der Erwerb der Sperre war ja erst der erste Schritt zu Peters gesteigertem Glück. Jetzt musste das Teil auch noch installiert werden. Über Fan-Blogs und durch Mund-zu-Mund-Propaganda stieß Peter auf die für diesen Zweck prädestinierte Spezial-Werkstatt. Diese liegt im hintersten Bergischen Land, dort wo sich Rehe und Füchse „Gute Nacht“ sagen. Wer über die B55 durch den winzigen Gummersbacher Ortsteil Erbland fährt, wird den Betrieb wahrscheinlich übersehen. Kein Marmor, kein Chrom, kein Prunk, keine Pracht – schlichter Baustil, hinter dem sich jedoch höchste Kompetenz verbirgt. Seit über 30 Jahren betreibt hier Thomas Kirchhöfer eine Tuningwerkstatt für Porsche-Fahrzeuge, die sich in den einschlägigen Kreisen einen sehr guten Namen gemacht hat. Die Kennzeichenvielfalt auf dem Firmenparkplatz belegt, dass nicht nur deutsche Fahrer zur Kundschaft gehören.

Mit Thomas Kirchhöfer (und seinen Mechanikern) hat Peter einen Auftragnehmer gefunden, der nicht nur mindestens genauso technikverliebt ist, sondern für den ein „Geht nicht“ nie in Frage kommt. Natürlich funktionierte der Einbau der Quaife-Sperre nicht auf Anhieb, natürlich musste improvisiert werden – aber derartige Herausforderungen spornen Thomas Kirchhöfer (und seine Mechaniker) zu Höchstleistungen an. Und der technikbesessene Peter tat allein durch permanente Präsenz seinen Teil dazu, das Werk zu einem guten Ende zu bringen.

„Der Porsche ist eine Granate, die Sperre ist einfach nur geil“, waren seine überlieferten Worte nach der ersten Probefahrt. Dem Gewinn des nächsten Pokals steht nichts mehr im Wege, höchstens die Konkurrenz…

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