KARL trifft Karl

Gepostet am 9. Okt. 2015 in Automobile | 1 Kommentar

KARL trifft Karl

Admiral, Aurelia, Bora, Diplomat, Fuego, Giulia, Isabella, Käfer, Kapitän, Monza, Olympia, Phaeton, Romeo, Senator, Topolino, Trabi, Urraco – die Zahl der Autos mit klangvollen Namen, über die ich während meiner nun schon mehr als 45 Jahre währenden Laufbahn als Motorjournalist geschrieben habe, ist Legion. Trotz der riesigen Vielfalt war aber noch nie ein Auto dabei, das denselben Namen trug wie ich. Diese Zeiten sind jetzt vorbei!

Vor ein paar Wochen gab Opel bekannt, dass die Firma demnächst einen neuen Pkw mit dem Namen KARL auf den Markt bringen werde. Da mein komplettes Angebot an Vornamen auf Gernot Karl Hermann lautet, stieg in mir eine Vorfreude auf, die bis heute andauert. Jede Zeile, die irgendwo über KARL geschrieben stand, habe ich seither verschlungen. Ich wollte, wenn ich KARL das erste Mal zu Gesicht bekam, bestens gewappnet sein.

Vorige Tage war es soweit. KARL und Karl standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Beiden war Skepsis anzumerken: KARL erblickte einen nicht mehr ganz jungen, übergewichtigen, hüftsteifen 1-Meter-86-Mann; Karl hatte im Hinterkopf, dass Opel sein jüngstes Produkt als „Kleinstwagen“ einstuft. Wie sollte das zusammen passen?

Um es vorwegzunehmen: Es passt gut zusammen! Dazu sollte man wissen, dass der Begriff „Kleinstwagen“ in die Irre führt. Wer bei diesem Ausdruck an spartanische Enge und minimalistischen Komfort à la Goggomobil, Isetta, Lloyd oder NSU Prinz denkt, ist nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Ein „Kleinstwagen“ à la KARL verfügt heute über eine Gesamtlänge von 3,68 Meter (nur zwei Zentimeter weniger als ein Golf I) sowie über eine Höhe von 1,48 Meter (drei Zentimeter mehr als ein Golf VII) und er bietet serienmäßig vier Türen – gute Voraussetzungen also, um selbst dem Karl einen problemlosen Einstieg zu ermöglichen.

Zudem verwöhnt KARL seinen Fahrer und dessen Beifahrer mit ordentlich dimensionierten und körpergerecht proportionierten Sesseln und mit ausreichend hoch ausziehbaren Kopfstützen. Das Platzangebot lässt, vor allem dank des riesigen Sitzverstellbereichs, zwei gestandenen Mannsbildern genug Raum. Im Fond geht’s (kein Wunder bei nur 2385 mm Radstand) deutlich knapper zu. Doch hieße Karl Karoline, wäre rank und schlank und nur etwa 1,65 Meter groß, könnte er/sie auch im Rückraum problemlos längere Strecken absolvieren. Kleine Besonderheit der KARL-Rückbank: Sie lässt sich wahlweise mit zwei Sitzplätzen und einteilig umklappbarer Lehne oder mit drei Plätzen und im Verhältnis 60:40 geteilter Klapplehne gestalten.

Hinter der Klappe des rundlich-knackig gestylten Steilhecks verbergen sich 206 Liter Kofferraum – nicht üppig, aber genug für zwei Kästen Karlsbader Mineralwasser oder zwei Kästen Karlskrone Bier und ein bisschen Kleinkram. Wenn der übliche Stauraum nicht reicht (und keine Fondgäste transportiert werden müssen) lässt sich die Lehne der Rückbank nach einigen Handgriffen umklappen und so das Gepäckabteil auf bis zu 1013 Liter vergrößern, ausreichend für einen Studentenumzug.

Nach dem Platznehmen und der ersten Orientierung im zumeist übersichtlichen Cockpit der nächste von Karl mit Spannung erwartete Moment: Wie benimmt sich KARLs gerade mal ein Liter großer Dreizylinder? Zwar hat Karl im Vorfeld gelesen, dass dieser (Leichtmetall-!)Motor über aktuellste Konstruktionsmerkmale vor allem in Sachen Laufruhe verfügt – doch ähnliche Lobeshymnen singt wohl jeder Werbetexter auf das neueste Machwerk seines Arbeitgebers. Die Ingenieure des KARL-Motors jedoch können zu Recht stolz auf ihr Triebwerk sein! Mit dem ersten Zündschlüsseldreh springt es sanft und weich an und brummelt dann brav vor sich hin – nicht wie einstige, unrund rumpelnde Dreizylinder, sondern mehr wie ein zufrieden auf dem Arm seines Frauchens schnurrender Kater. Und diese Tonart behält er bei – sowohl in niedrigen als auch in mittleren Drehzahlen. Erst in oberen Drehregionen wechselt der Ton, jedoch nicht etwa zu einem angestrengten Stakkato, sondern mehr zu einem turbinenhaften Gleichklang.

Der Dreizylinder verzichtet aus Kostengründen auf teure Bauteile wie Direkteinspritzung oder Turbolader, er begnügt sich mit einer relativ konservativen Saugrohreinspritzung. Diese jedoch macht, zusammen mit den sonstigen Merkmalen wie u. a. Vier-Ventil-Technik und zwei obenliegenden Nockenwellen, einen guten Job. KARLs Motor zeigt kultivierte Leistung über die gesamte Drehzahlspanne: Er tritt kräftig an, bietet ordentlichen Durchzug in mittleren Bereichen und verhungert selbst in oberen Regionen nicht. Bei diesen immer leichtfüßig wirkenden Tätigkeiten erhält er Unterstützung von einem Fünfgang-Schaltgetriebe, das geradezu süchtig macht: Wie sein Schaltstock sich teflonsanft durch die Gänge dirigieren lässt, das signalisiert der Hand haptisches Vergnügen, verlangt nach Wiederholung. Weniger vergnüglich: die spitz zupackende Kupplung, die von Karl mit Fußspitzengefühl getreten werden will.

Opel nennt für den 75 PS starken, bis zu 170 km/h schnellen KARL einen Normverbrauch von 4,5 Liter Super pro 100 Kilometer. Bei Karls erster Ausfahrt mit seinem Namensträger bestand noch keine Gelegenheit, einen praxisnahen Wert zu ermitteln. Karls auf langer Erfahrung beruhende Vermutung liegt bei etwa einem Liter mehr, was bei einem Tankvolumen von 32 Litern eine Reichweite von rund 580 Kilometern bedeutet. Alle (wesentlich teureren) Elektromobile dieser Welt erblassen bei diesem Wert vor Neid.

Weitere KARL-Qualitäten: Er bietet seinen Fahrgästen einen der großen Reichweite adäquaten Federungskomfort. Sein Wendekreis von nur 9,8 Metern entspricht dem, was von einem Kleinstwagen erwartbar ist. KARLs Ausstattung lässt sich in drei Stufen („Selection, „Edition“ und „Exklusiv“) steigern, immer aber sind Front-, Seiten- und Kopfairbags, Gurtwarner, ABS, ESP, Reifendruck-Kontrollsystem und Tagfahrlicht mit an Bord. Die Preise beginnen bei 9500 Euro für den Selection, gehen weiter mit 10.650 Euro für den Edition (mit u. a. elektrischen Fensterhebern, elektrisch einstellbaren Außenspiegeln und Zentralverriegelung) und steigen bis auf 12.900 Euro für den Exklusiv (mit Klimaanlage, Spurassistent, Radio und LM-Rädern), wobei die Aufpreisliste selbst fürs Topmodell noch ein paar Zutaten feil hält.

Übrigens: Seinen Namen, so die Opel-offizielle Lesart, verdankt KARL dem ältesten Opel-Sohn Carl, nach Vater Adam also das zweite Familienmitglied, das sich per Vornamen in den Modellen verewigt. Carl hat noch vier Brüder: Wilhelm, Heinrich, Fritz und Ludwig. Ein Hermann, wie bei mir, ist leider nicht dabei …

1 Kommentar

  1. Sach ma‘, biste unter die Werbetexter gegangen?
    So ähnlich hab‘ ich empfunden, als ich mir vor 30 Jahren den Cuore kaufte, dessen 3-Zylinder Trendsetter wurde. Heute noch im C1 und Verwandten!

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