Von der Freude, sein neues Auto selbst vom Werk abzuholen

Gepostet am 7. Nov. 2014 in Deutschland | 1 Kommentar

Meinen Kollegen Peter stellte ich Euch schon vor einigen Monaten vor (siehe auch http://www.gernot-roethig.de/954/der-peter-und-sein-sperrdifferential). Ihr erinnert Euch? Es handelt sich um jenen Herrn, von dem nicht so genau bekannt ist, ob er Frau und Tochter mehr liebt oder vielleicht doch sein luftgekühltes Heckmotor-Coupé aus dem schwäbischen Zuffenhausen.

Der Winter steht vor der Tür. Peter möchte seinen sensiblen Youngtimer lieber heute als morgen in die trockene, wärmende, anheimelnde Garage stellen. Hinzu kommt: Seine Frau, nennen wir sie Petra, ist die Ausflüge im spartanischen Alt-Elfer gründlich leid und plädiert für ein zusätzliches Auto mit allem Komfort und zurück. Da es luftgekühlte Heckmotor-Autos mit Heckantrieb auf dem Neuwagen-Markt (Gott sei Dank) nicht mehr gibt, einigten sich Peter und Petra aufs andere Extrem, auf einen altengerechten Fünfsitzer mit wassergekühltem Frontmotor und Frontantrieb, auf einen Golf Sportsvan.

Vorige Tage war es soweit: Die Lokführer streikten ausnahmsweise mal nicht, Peter und Petra fuhren per Bahn nach Wolfsburg, um ihre neueste Errungenschaft direkt am Ort des Entstehens in Besitz zu nehmen. Die beiden hatten Glück: An diesem Tag waren nur etwa 400 Neu-Besitzer auf die Idee gekommen, ihr jüngstes Schmuckstück persönlich in Empfang zu nehmen. An Spitzentagen können es auch schon mal 650 Abholer sein. Egal. Die Übergabe-Zeremonie zelebriert VW trotz der hohen Frequenz sehr gediegen. Danach reisen die Kunden üblicherweise mächtig gebauchpinselt und mit stolzgeschwellter Brust in ihrem neuen Auto nach Hause.

So auch Peter und Petra. Sie allerdings fuhren nicht in einem Rutsch durch bis ins heimische Köln, sondern übernachteten unterwegs bei Bekannten. Dumm nur, dass diese Bekannten in einer Stadt wohnen, von der seit 20 Jahren nicht klar ist, ob es sie wirklich gibt. Selbst unsere derzeit amtierende Kanzlerin schränkte ihren Bielefeld-Besuch mit den Worten ein: „…so es denn existiert.“

Die vielen elektronischen Helferlein, neudeutsch: Fahrer-Assistenzsysteme, im Sportsvan von Peter und Petra waren jedenfalls beim Start am nächsten Morgen gemeinsam der Ansicht, dass sie in einer Stadt, von der nicht sicher ist, ob es sie gibt, auf keinen Fall arbeiten wollen. Zahlreiche glühende Lämpchen im Cockpit des nagelneuen Sportsvan signalisierten unisono ihr Desinteresse an Mobilität und bestätigtem somit eine Studie des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, nach der knapp die Hälfte aller Defekte an modernen Autos durch elektronische Komponenten verursacht wird.

Peter, gewiefter Notfall-Experte, bemühte erfolgreich die VW-Hotline: Schon nach kurzer Zeit traf ein offensichtlich gut ausgebildeter Mechaniker ein, der klugerweise gleich per Abschleppwagen anreiste. Seine Ahnungen bestätigten sich: Trotz intensiver Suche und trotz aller Kenntnisse musste er feststellen, dass die Macke dieses Neuwagens vor Ort nicht reparierbar war.

Konsequenz: Der nagelneue Sportsvan samt Peter und Petra rollte per Transporter ins nächst größere Autohaus (nach Angaben des Monteurs) in Bielefeld. Da sich das Ganze jedoch an einem Sonntag abspielte, war tagesaktuelle Reparatur nicht möglich. Immerhin erhielten Peter und Petra einen Ersatzwagen, mit dem sie nach Hause fahren konnten.

Dank des nicht minder komfortablen Ersatzwagens hatten die beiden keine Eile, in den endgültigen Besitz ihres Neuwagens zu kommen. Sie ließen sich und der Werkstatt (in Bielefeld?) Zeit. Es wurde Montag – nichts geschah. Es wurde Dienstag – weiterhin geschah nichts. Am Mittwoch jedoch kam Post, nicht aus Bielefeld, sondern aus Wolfsburg. Darin enthalten: die Rechnung für den Sportsvan, der schon vor gut vier Wochen restlos bezahlt worden war!

Am Donnerstagmittag dann stand der schon bekannte Autotransporter (aus Bielefeld?) vor der Tür, lieferte den Sportsvan an und lud den Ersatzwagen auf. Nach Angaben des Fahrers war der Zündanlassschalter defekt gewesen.

Peter und Petra stürzten sich nicht gleich zur nächsten Probefahrt in ihren Sportsvan. Sie stellten ihn erstmal hinters Haus in den Hof, mit offenen Türen und Fenstern – in der Hoffnung, dass der störende Geruch nach Kunststoff und Weichmachern im Innenraum des Autos sich baldmöglichst verflüchtigen wird. Ein Geruch übrigens, der nach Angaben nasenbewußter Neuwagen-Hersteller längst der Vergangenheit angehört …

1 Kommentar

  1. Ähnliches habe ich erlebt. Der Sportsvan war ein halbes Jahr alt und ließ sich insgesamt viermal nicht starten. Beim ersten Mal wurde der Zündanlassschalter als Defekt deklariert und ausgetauscht. Nach zwei Tagen wollte das Auto wieder nicht starten. Da wurde zum zweiten Mal der Zündanlassschalter ausgeschaltet. Ich war äußerst skeptisch, innerhalb kürzester Zeit die gleiche Reparatur. Und mein ungutes Gefühl trog mich nicht, am Nachmittag des gleichen Tages verweigerte das Auto mir wieder seinen Dienst. Dieses Mal wurde ein wackliger Stecker als Ursache gefunden und ein Kabelbaum ausgetauscht. Bis gestern hatte ich Ruhe, nun meldet sich der Katalysator mit gelbem Warnsignal. Ich bin gespannt, ob das wieder eine lange Geschichte wird.

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